6. März 2023
Sufismus in Deutschland
Was ist Sufismus? Wie wird er heute in Deutschland gelebt? Und was sind Anknüpfungspunkte für den interreligiösen Dialog und das gesellschaftliche Miteinander?
Bei der 3. Tagung zu islamstämmigen Minderheiten wurden am 7. Februar 2023 in Stuttgart-Hohenheim diese und weitere Fragen aus unterschiedlichen Perspektiven der Gesellschaft beantwortet.
Kooperationstagung zu Sufismus in Deutschland
Dabei stand nicht nur das Glaubensprofil der islamischen Mystik im Fokus, sondern auch das Verhältnis zu mystischen Strömungen im Christentum sowie die institutionelle Organisation und das Wirken in der Gesellschaft.
Geleitet wurde die Tagung von Dr. Christian Ströbele und Dr. Hussein Hamdan von der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart und Dr. Theresa Beilschmidt der Stiftung Weltethos.
Sufismus aus islamischer und christlich-theologischer Perspektive
Die verschiedenen Vorträge widmeten sich aus islamischer und christlicher Perspektive den Glaubensvorstellungen und religiösen Praktiken des Sufismus.
Sufismus speise sich aus der Überzeugung, dass Gott die Welt, die Religion sowie die Propheten aus Liebe erschaffen hat, so Erdal Toprakyaran, Professor für islamische Geschichte und Gegenwartskultur an der Universität Tübingen, der die Tagung mit einem Überblicksvortrag eröffnete.
Aus christlicher Perspektive stellte die Fundamentaltheologin Prof. Saskia Wendel (Tübingen) die Einflüsse aus Philosophie und anderen Religionen auf den Sufismus als Gesprächsbasis für den interreligiösen Dialog heraus. Ein weiteres einendes Element in der mystischen Strömung des Christentums und Islam sei der Liebesdiskurs, durch den sich Gott und Seele begegnen.
Heute: Sufismus in Deutschland
Wie Sufismus heute tatsächlich gelebt wird und wie er sich in Deutschland institutionell organisiert, legte Gritt Klinkhammer, Professorin für empirische Religionsforschung und Theorie der Religion aus Bremen, den Teilnehmer*innen der Tagung nahe.
Interreligiöser Dialog
Dass der interreligiöse Austausch für eine Stadtgemeinschaft von hoher Bedeutung ist, betonte Feride Funda G.-Gençaslan, Vorsitzende des Sufi-Zentrums Rabbaniyya Eigeltingen, die auch Mitglied im Forum der Religionen Singen ist, das durch das Stiftungsprojekt „Lokale Räte der Religionen“ begleitet wird. Damit Religionen wie der Islam nicht mehr länger als „das Fremde“ in der Gesellschaft wahrgenommen werden, sei es entscheidend, gerade auch Menschen zu erreichen, deren Umfeld kaum von Begegnungen geprägt ist. Herausfordernde Elemente seien in diesem Prozess die ländliche Streuung, das Zusammenspiel von Haupt- und Ehrenamt sowie der finanzielle Aspekt.
Die Schule des islamischen Sufismus MTO verkörpert ein weiteres Beispiel für gelebte Glaubenspraxis. Dieser Orden, der vor der iranischen Revolution in Teheran sehr aktiv war, repräsentiert den Sufismus in seiner schiitischen Form. Seit 2022 hat die MTO in Nordrhein-Westfalen den Status Körperschaft des öffentlichen Rechts inne, welcher eine Bündelung der zunächst in zahlreichen Vereinen strukturierten Aktivitäten mit vielfältigen Angeboten wie Jugendarbeit, Lehrvermittlung, Kita oder interreligiöser Dialog ermögliche und Wertschätzung ebenso wie Anerkennung bringe.
Die Tagung, die das Anliegen der Reihe zu kleineren muslimischen bzw. islamstämmigen Gruppierungen in Deutschland fortsetzten endete mit einem Impulsvortrag zur Rolle der Musik im Sufismus von Max Bilal Heidelberger, der auch einige Stücke vorspielte.
In derselben Reihe wurden 2020 das Alevitentum und 2022 die Ahmadiyya behandelt. Dazu soll 2023 ein Tagungsband erscheinen.
Am 25. April 2023 findet eine weitere Veranstaltung zum Sufismus in Weingarten statt. Im kommenden Jahr wird im Rahmen dieser Kooperation der liberale Islam in den Blick genommen.
© Akademie Rottenburg-Stuttgart/ Matthias Häußler