7. März 2023

worldlab Projektteam im Interview bei Stiftung Lernen durch Engagement

Das Foto zeigt drei Schüler, die für ihr worldlab Praxisprojekt, eine Wand im Schulhof bemalen.

Wie wollen wir als Gesellschaft zusammenleben? Mit Blick auf die aktuellen globalen Entwicklungen wird diese Frage immer dringlicher. Umso bedeutsamer ist es, dass junge Menschen so früh wie möglich lernen, sich in diese Frage einzumischen und wirksam sein zu können. Im worldlab werden solche Lernräume in Schule eröffnet. Ein Interview mit dem Projektleitungsteam von „worldlab – Das Labor für eine gelebte Demokratie“. Das Interview erschien zuerst im Newsletter von Lernen durch Engagement Baden-Württemberg.

"Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten trägt zur Resilienz der Schüler*innen bei"

Lernen durch Engagement (LdE): Kurz zu Euch: Wer seid ihr und warum ist Euch das Erlebbarmachen von Demokratie & Nachhaltigkeit für junge Menschen so wichtig?

worldlab: Hallo an alle LdE-Enthusiast*innen in Baden-Württemberg! Wir sind Bianca, Maria, Mathias und Susanne, Mitarbeitende der Stiftung Weltethos und das Projektleitungsteam von worldlab. Das worldlab ist ein außerschulisches Bildungsprojekt, das als Kooperation mit dem baden-württembergischen Kultusministerium entstand. Darin stärken wir die Demokratiekompetenzen von Schüler*innen an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen (Klasse 7–13, ab Sprachniveau in Deutsch A2) in Baden-Württemberg.

Schule ist ein Ort, an dem sich Schüler*innen – unterschiedlichster sozialer oder kultureller Herkunft – täglich begegnen. Zwischen den Schüler*innen entstehen jedoch auch Konflikte. Das passiert z. B. durch bestehende Vorurteile oder strukturellen Rassismus, was zu Ausgrenzung und Diskriminierung führt. Damit Demokratie funktionieren kann, müssen wir alle Vielfalt anerkennen und lernen, wie man Konflikte konstruktiv und im Dialog löst. In unserer Workshopserie arbeiten wir mit Übungen und Methoden, durch die sich die Teilnehmenden in ihrer kulturellen Vielfalt wertschätzend begegnen können. Durchgeführt werden die Workshops von unseren Teamer*innen direkt an den Schulen. Anschließend entwickeln die Schüler*innen eine nachhaltige Praxisprojektidee und entscheiden gemeinsam, welche Werte für ihre Zusammenarbeit besonders wichtig sind. Und dieses Projekt setzen sie dann an ihrer Schule oder in ihrem sozialen Umfeld um. Ganz im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung haben wir das in folgende Praxisprojekt-Kategorien übersetzt: Ökologie/Umwelt, Nachhaltiges Wirtschaften, Soziale Wirkung oder Kunst.

LdE: Demokratie und Nachhaltigkeit sind nur eine von unglaublich vielen Themen, auf die Schulen mit ihrem Bildungsauftrag reagieren wollen und müssen. Welche Rolle schreibt ihr der Schule für eine nachhaltige, demokratische Gesellschaft zu?

worldlab: Schule ist ein geschützter Raum, an dem Schüler*innen ihre Fähig- und Fertigkeiten ausprobieren können. Die positiven und negativen Erfahrungen der Schüler*innen können durch regelmäßige Reflexionen genutzt werden, deren Selbstwirksamkeit zu stärken. Eben dieses Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten trägt zur Resilienz der Schüler*innen im Umgang mit einer immer komplexer werdenden Welt bei. Insofern kommt der Schule eine außerordentlich wichtige Rolle zu: Sie hilft Schüler*innen, sich in der VUCA-Welt* zu orientieren, als Bürger*innen aktiv die Gesellschaft mitzugestalten und Verantwortung zu übernehmen.

Zwei junge Frauen stehen vor Moderationswänden, auf denen Reflexionsfragen und Werte stehen. Schüler hören zu.

LdE: Ihr arbeitet mit vielen unterschiedlichen Schulen zusammen: Mit welchen Anliegen kommen diese auf Euch zu? Worauf möchten sie mit dem worldlab reagieren?

worldlab: Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter*innen oder Schulleitungen, die ein worldlab an ihrer Schule durchführen wollen, haben ganz unterschiedliche Bedarfe. Das sind die vier häufigsten:

  1. In kulturell heterogenen Klassen herrschen teilweise Vorurteile und Stereotype vor, oder einzelne Gruppen bzw. Einzelpersonen werden aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert. Darauf wollen Lehrkräfte mit dem worldlab reagieren und ein tieferes Verständnis füreinander in der Gruppe schaffen.
  2. Lehrkräfte in Vorbereitungsklassen, in denen ein Schwerpunkt auch auf dem Deutschlernen liegt, möchten beispielsweise den Kontakt zu Schüler*innen in Regelklassen intensivieren. Dann matchen wir die beiden unterschiedlichen Gruppen, um die Offenheit für kulturelle Vielfalt zu stärken.
  3. Das worldlab ist auch beliebt bei den Lehrkräften, wenn sich Klassen neu zusammensetzen. Dann soll den Schüler*innen im Rahmen der Workshopserie die Möglichkeit gegeben werden, sich kennenzulernen und eine Basis für die Zusammenarbeit im Klassenverbund zu entwickeln und den Gruppenzusammenhalt zu stärken.
  4. Unsere Workshops werden von externen und qualifizierten Teamenden angeleitet. Das ist für Lehrkräfte oft attraktiv, da sie so selbst Teilnehmende im worldlab sein können und ganz neue Sichtweisen auf ihre Schüler*innen bekommen.


LdE: Welche Rolle spielen, Eurer Erfahrung nach, Werte wie Demokratie und Nachhaltigkeit für Schüler*innen?

worldlab: Demokratie ist eine Lebensform, die eine Vielzahl an Werten in sich vereint. In den Workshops machen wir die Erfahrung, dass diese Werte den Schüler*innen ebenfalls wichtig sind. Die meistgewählten Werte, auf die sich die Schüler*innen im worldlab einigen, sind Respekt, Gemeinschaft, Hilfsbereitschaft und Gleichberechtigung. Nachhaltigkeit spielt vor allem dann eine Rolle, wenn es um die Fortführung des Praxisprojekts geht, die im 3. Workshop thematisiert wird. Da stellen wir den Schüler*innen unter anderem die Frage: „Wie könnt ihr euer Praxisprojekt nachhaltig an der Schule verankern?”

LdE: Was ist für die Schüler*innen und die Schule anders nach einem worldlab?

worldlab: Der Kern im worldlab ist die gemeinsame Arbeit der Schüler*innen an ihrem Praxisprojekt, das sie sich bestenfalls selbst überlegen, planen und umsetzen. Der Stolz über das gemeinsam Geleistete und das Vertrauen in ihre Fähigkeiten zahlt auf das Selbstwirksamkeitskonto der Schüler*innen ein. Sie haben erfahren, dass sie das Projekt vor allem dann gut umsetzen können, wenn alle an einem Strang ziehen und dass gemeinsam entwickelte Werte ihre Zusammenarbeit stärken können.

Außerdem kann das Praxisprojekt eine Strahlkraft in das erweiterte Schulumfeld haben. Teilweise werden die Projekte an andere Klassen und Gruppen ‚vererbt‘, die dann das Engagement fortsetzen. Oder Schulen entschließen sich dazu, das worldlab fest zu verankern und regelmäßig durchzuführen.

LdE: Wo seht ihr den Zusammenhang zwischen worldlab und Lernen durch Engagement?

worldlab: Sowohl wir im worldlab als auch die Lernform Lernen durch Engagement verfolgen das Ziel, die Demokratiekompetenzen von Schüler*innen zu stärken. Und dabei können wir uns ganz hervorragend ergänzen. Im worldlab befassen sich die Teilnehmenden mit Werten. Werte, die ihnen selbst wichtig sind, aber auch der gesamten Gruppe. Sie entwickeln einen gemeinsamen Wertevertrag, der die Basis für die gemeinsame Arbeit am Praxisprojekt bildet. Um ein wirkungsvolles Praxisprojekt auf die Beine zu stellen, lohnt es sich, die Qualitätsstandards und Methoden von Service Learning für die Projektgestaltung zu nutzen und so Demokratie als Lebensform noch erfahrbarer zu machen.

Das Interview wurde geführt von Lisa Funke (Stiftung Lernen durch Engagement). Weitere Informationen gibt es auf der Webseite der Stiftung Lernen durch Engagement

* Das VUCA-Modell beschreibt die Veränderungen der heutigen Welt. Das Wort VUCA als Akronym steht für volatility (Volatilität), uncertainty (Ungewissheit), complexity (Komplexität) und ambiguity (Ambiguität).

worldlab – Das Labor für eine gelebte Demokratie