9. September 2022

Interview mit Eberhard Stilz

Das Bild ist ein Passfoto des Weltethos Vorstandsmitglieds Eberhard Stilz, Präsident.

Eberhard Stilz übergibt sein Amt des Präsidenten an Prof. Bernd Engler, dem ehemaligen Rektor der Universität Tübingen. Im Interview blickt Eberhard Stilz zurück auf seine Jahre im Amt: Er spricht über die größten Herausforderungen, besondere Momente und darüber, wie sich die Welt und damit die Arbeit seit seinem Amtsantritt verändert hat. 

 

Wie hat sich die Stiftung Weltethos und Ihre Arbeit über die Jahre verändert? 

Die Stiftung war anfangs ganz auf Prof. Hans Küng und dessen Arbeit in Sachen Weltethos zugeschnitten. Neben einer sich allmählich entwickelnden Bildungsarbeit unterstützte die Stiftung zunächst vor allem Hans Küngs wissenschaftliche und publizistische Aktivitäten. Nun aber wollten wir beginnen, das Arbeitsspektrum der Stiftung deutlich auszuweiten und thematisch auszudifferenzieren. So entstanden nach und nach neue Arbeitsbereiche. Immer mehr eigenständige Projekte, auch mit externen Kooperationspartnern, konnten realisiert werden. Die dafür notwendigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten finanziert werden, weil es zum einen gelang, den ursprünglich mit Abstand größten Förderer der Stiftung, Prof. Karl Schlecht und seine KSG, noch für geraume Zeit als Eckpfeiler der finanziellen Lage zu gewinnen, und weil zunehmend weitere, neue Förderer gefunden wurden. 

Auf welche besonderen Momente können Sie zurückblicken, wenn Sie die Zeit Revue passieren lassen? 

Das Projekt der Weltethos-Schulen lag mir von Anfang an besonders am Herzen. Es hat mich berührt, mitzuerleben, wie positiv sich das Projekt an den Schulen auswirkt, für Schüler, Lehrer und Eltern. Aber genauso wichtig waren mir die anderen großen Projekte, welche die Stiftung – wie worldlab – entwickelt hat oder an denen sie mitwirken darf.

Besondere persönliche Momente gab es zudem, wenn etwa nach Vorträgen oder Diskussionen spürbar wurde, dass Menschen nicht nur oberflächlich erreicht werden konnten. Das Verständnis für die Idee eines Weltethos hat bei vielen Menschen etwas bewirkt, manchmal sogar bis hin zu der spontanen Bereitschaft, die Stiftung künftig zu fördern. Viele Begegnungen mit interessierten, großherzigen und hilfsbereiten Menschen bleiben mir ein unvergessliches Geschenk.

War es eine besondere Herausforderung, der erste Präsident der Stiftung Weltethos nach Prof. Hans Küng zu sein?

Ich erinnere mich gut an anfängliche Kommentare von Freunden und Bekannten, die mich bedauerten: Hans Küng würde mir, so deren Einschätzung, keinen Freiraum lassen, sondern sich ständig einmischen. Das hat mich indessen nie angefochten, hatte ich es doch von Anfang an anders erlebt. Prof. Küng war stets offen, hilfsbereit und, so habe ich es empfunden, auch dankbar. Und er hat mir nie Vorschriften oder Vorgaben gemacht. Jedes Treffen mit ihm war eine Freude und Bereicherung, nicht zuletzt die sehr persönlichen Begegnungen an seinem Sommerdomizil am Sempacher See. Mich hat es sehr betrübt, dass dies in der letzten Zeit zunehmend weniger möglich war.

War der Gedanke Weltethos im Jahre 2013 leichter in der Welt zu implementieren als heute im Jahr 2022? Wie hat sich die Welt und damit auch die Arbeit der Stiftung seit dem Amtsantritt im Jahr 2013 verändert?

Von Anfang an war eine wesentliche Gegenposition, die Welt sei doch nicht so, wie sich Küng dies wohl in seinem akademischen Elfenbeinturm ausgedacht habe. Das ging indes schon immer an der Sache vorbei. Niemand hat je angenommen, die Welt richte sich stets an ethischen Geboten aus. Wäre das so, dann wären die Menschen Engel, und wir bräuchten keine Ethik. 

Weil wir aber Menschen geblieben sind, verfügen wir zwar über ein Gewissen, brauchen aber gleichwohl Leitlinien und Maßstäbe, am besten solche, die weltweit akzeptabel sind. Dies umso mehr, wenn die Welt wieder einmal besonders gewaltbereit ist oder erscheint. Doch genau dann hilft es wenig, wenn diese Maßstäbe nur irgendwo geschrieben stehen. Man muss sie leben und bewusst machen – möglichst vielen Menschen und möglichst von Jung an. Auch das Gewissen muss man bilden, ausbilden.

Das ist keine Aufgabe für den Tag und keine, die je vollendet sein wird. Auch wenn eine Jede und ein Jeder immer nur ein kleines Scherflein dazu beitragen kann, gebietet es die Menschenwürde, diesen Beitrag zu leisten. Und die Stiftung Weltethos bleibt dauerhaft gefordert, ihren Beitrag dadurch zu erbringen, dass sie die von Küng gelegten geistigen Grundlagen bewusst macht, lebt und verbreitet.

Wie kann Weltethos auch im Jahre 2022 sein Potenzial entfalten?

Indem die Stiftung dafür arbeitet. Und das heißt: Menschen gewinnt, denen die Plausibilität und Notwendigkeit der Weltethos-Idee bewusst wird und die sich für die Konkretisierung eines Weltethos einsetzen, in Wort und Tat. Menschen, die als Botschafter Multiplikatoren sein wollen; die wissen, wie immens bedeutsam die ethische Botschaft ist – heute offensichtlich, aber morgen genauso.

Was können/möchten Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg gegeben?

Ich habe das Glück, einen Nachfolger zu haben, der zwar immer für Rat aufgeschlossen ist, ihn aber von mir nicht braucht. Prof. Engler kannte Hans Küng gut, er kennt das Projekt WE und die Stiftung; wir haben schon bisher vielfältig und immer harmonisch zusammengewirkt. Ich kann ihm nur ein herzliches Danke mit auf den Weg geben – und meine bleibende Verbundenheit.