20. Juni 2024
Religion & Ethik: KI mit Verantwortung
Künstliche Intelligenz (KI) und die mit ihr einhergehenden Veränderungen unserer Lebenswelt sind eines der aktuell drängendsten Themen in unserer Gesellschaft. Welche Rolle spielen Religion und Ethik für die Weiterentwicklung von KI? Über das Potenzial von Kooperation und ethische Verantwortung diskutierten Rebecca Beiter, Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi und Prof. Dr. Peter G. Kirchschläger in der Tübinger Westspitze. Die Veranstaltung zog rund 85 Teilnehmer*innen vor Ort und online an.
RELIGIÖSE PERSPEKTIVEN AUF KI
Sei es das Streben nach Unsterblichkeit, das Schaffen einer neuen Existenzform oder auch eine intrinsische Gottessehnsucht: Religiöse Motive finden sich in vielen Visionen zu Künstlicher Intelligenz wieder. Die Versprechungen enthalten die Verheißung einer neuen Ära, in der die Grenzen des Menschseins überschritten werden. Im Zeitalter der KI ist der Mensch fragwürdig geworden, so Prof. Karimi, Leiter der Forschungsstelle Theologie der Künstlichen Intelligenz an der Universität Münster.
Doch was macht das Menschsein aus? Prof. Karimi hob hervor, dass Religionen wie das Christentum und der Islam die Würde des „unvollkommenen Menschen“ betonen und uns daran erinnern, dass unsere Schwächen und Fehlbarkeiten uns menschlich machen.
„Wir sollten einsehen, dass wir als Menschen Schwächen haben, dass wir altern, graue Haare bekommen. All dies sind lauter Prozesse der Nichtvervollkommnung – das ist ein Aspekt der Religionen. Die Aufgabe der Religionen ist es, die Würde des schwachen Menschen zu tragen.“
Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi
Maschinen seien uns zwar in Rechenfähigkeiten überlegen, eine emotionale und soziale Intelligenz oder gar Moralfähigkeit könnten sie allerdings nicht erreichen. Das ist es, was uns als Menschen auszeichne. Daher hinterfragt Prof. Kirchschläger, Leiter des Instituts für Sozialethik an der Universität Luzern, den Begriff „Künstliche Intelligenz“ – und spricht stattdessen von „datenbasierten Systemen“. Grundlage für diese Systeme müssten die Menschenrechte sein, und zu ihrer Kontrolle fordert er die Einrichtung einer International Data-Based Systems Agency bei den Vereinten Nationen.
DIE ROLLE DER RELIGIONEN
Welcher Einsatz von KI fühlt sich gut an? Soll KI autonom Schulbusse fahren können, das Wetter simulieren oder Texte schreiben, auch wenn es sich um individuell angepasste Wahlbotschaften handelt? Um solche Fragen zu beantworten und eine ethische Nutzung von KI sicherzustellen, betonte Rebecca Breiter die Notwendigkeit eines fortlaufenden Dialogs zwischen Gesellschaft und Forschenden.
Prof. Kirchschläger unterstrich die Rolle der Theologie und Religionsgemeinschaften in dieser Debatte: „Religionen sollten helfen, dass wir der Gestaltung von datenbasierten Systemen gerecht werden können. Denn wir Menschen entscheiden, wie und warum wir etwas einsetzen. Ihre wesentliche Aufgabe ist es, Menschen im Prozess des Umgangs mit Ungewissheit zu begleiten.“
Am Ende des Gesprächs warnte Prof. Karimi davor, unsere Freiheit den Technologien zu überlassen. Stattdessen sollten wir uns darauf besinnen, was wirklich zählt: Menschsein und Menschlichkeit.
Referent*innen:
- Rebecca Beiter, Director Communication & Society (CCO) Cyber Valley GmbH
- Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi, Forschungsstelle für Theologie der Künstlichen Intelligenz, Zentrum für Islamische Theologie, Universität Münster
- Prof. Dr. Peter G. Kirchschläger, Professsor für Theologische Ethik, Leiter des Instituts für Sozialethik, Luzern
Moderation:
- Dr. Theresa Beilschmidt, Bereich Interreligiöses und Gesellschaft, Stiftung Weltethos
- Dr. Christian Ströbele, Fachbereich Interreligiöser Dialog, Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart
Veranstalter:
Die hybride Veranstaltung war eine gemeinsame Veranstaltung der Stiftung Weltethos in Kooperation mit der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart und der Cowork Group GmbH Tübingen.
Tel.: +49 (0)7071 400 53 - 13
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