13. November 2024
Drei Religionen im Gespräch
Die Stiftung Weltethos lud zu einem interreligiösen Dialog zwischen Judentum, Christentum und Islam ein. Unter der Moderation von Büşra Çebi entstand ein Raum des Dialogs und der Verständigung, in dem Vertreter*innen dreier Religionsgemeinschaften ihre Sichtweisen teilten und gemeinsam über die Kraft des Glaubens in der modernen Gesellschaft reflektierten.
Orte des Glaubens
Ravinder Salooja ist evangelischer Hochschulpfarrer und fühlt sich in der Begegnung mit anderen Religionen bereichert. Er teilte seine Erfahrungen des multiple belonging – das Gefühl, sich in verschiedenen spirituellen Räumen zuhause zu fühlen. Doch auch das Nachdenken über seinen Glauben ist für ihn ein Glaubensraum, der ihn in spirituelle Erfahrungen führen kann.
Für den islamischen Theologen Tuncay Dinçkal sind religiöse Orte nicht statisch und können sich im Laufe des Lebens wandeln: von der prachtvollen Moschee in Ankara bis zur Moschee um die Ecke, die im Laufe der Zeit zu seinem eigenen Ort des Glaubens wurde.
Für Claudia Marx-Rosenstein, Geschäftsführerin im Haus Abraham und Lehrerin, findet der Glaube an Orten der Gemeinschaft statt – etwa in der Küche, in dem gemeinsames Feiern und das Gefühl der Nähe zur jüdischen Gemeinschaft zum Ausdruck kommen.
Persönliche Religionspraxis
Sei es das Freitagsgebet, der jüdische Shabbat oder Tischgebete: Religiöse Rituale konsequent zu leben, kann manchmal schwierig sein. Tuncay Dinçkal und Ravinder Salooja sprachen über die Herausforderung, Rituale regelmäßig auszuführen. Beide sind sich einig: Rituelle Gebete sind wertvoll, wenn sie bewusst und nicht ohne Achtsamkeit auf das Gesprochene heruntergebetet werden.
Die Podiumsgäste sprachen auch über ihre je eigenen Wege, eine Beziehung zu Gott zu pflegen. Claudia Marx-Rosenstein beschrieb ihre Beziehung zu Gott, die durch Sprache und Musik entstehen und „das Herz öffnen“. Tuncay Dinçkal zitierte den Koran: „Gott ist mir näher als meine Halsschlagader“, was für ihn die tröstliche Nähe Gottes symbolisiert. Claudia Marx-Rosenstein ergänzte, dass es Momente im Leben gibt, in denen die Menschen Gott besonders dringend suchen – und dass Gott seinerseits die Menschen suche.
HERAUSFORDERUNGEN BEGEGNEN
Das Gespräch erweiterte sich um die Herausforderungen, denen sich Religionen heute gegenübersehen. Tuncay Dinçkal äußerte sich besorgt über radikale Taten, die oft mühsam aufgebaute Dialogarbeit zunichtemachen. Trotz dieser Rückschläge betonte er jedoch, dass er den Glauben an den Dialog nie verliert – vielmehr gebe dieser ihm immer wieder neue Hoffnung.
Der Abend verdeutlichte, wie bereichernd es ist, sich auf den Blickwinkel anderer einzulassen und gleichzeitig den eigenen Glauben zu reflektieren. Interreligiöser Dialog ist nicht nur ein Austausch von Meinungen – er ist eine Einladung zur Selbstreflexion und zum tieferen Verständnis füreinander.