7. November 2024

Dranbleiben?! Fünf gute Gründe.

Menschen vor dem Trump Tower
Foto: Rob Walsh / unsplash

Kriege, Rechtsextremismus, Klimawandel, Trump – wer sich für Frieden, Demokratie, Menschenrechte oder Umweltschutz einsetzt, hat zurzeit viele Gründe zur Frustration. Es scheint, als sei der Irrsinn überall im Aufwind, als würden Vernunft und Menschlichkeit auf der politischen Resterampe verramscht, als ginge es – bestenfalls – langsam ein Schritt voran und dann wieder, sehr schnell, zwei zurück.

Frust, Entmutigung, Depression, Gelähmtheit, mindestens aber die Zweifel: Hat mein Engagement überhaupt einen Sinn? Nutzt es irgendetwas? Macht es einen Unterschied? Fünf gute Gründe, dranzubleiben:

1. Frieden ist kein Zustand, sondern ein Prozess

Frieden, Menschenrechte, Versöhnung – das sind keine Zustände, die man einmal erreichen und dann für alle Zeiten „haben“ könnte. Mahatma Gandhi sagte einst: „Es gibt keinen Weg zum Frieden. Frieden ist der Weg.“ Das heißt: Frieden ist ein Prozess, ein Geschehen zwischen Menschen, ein Beziehungsgeschehen.

Wer den Anspruch hat, „den“ Frieden zu schaffen, kann nur frustriert werden – heute ebenso wie schon vor 100 oder 1000 Jahren oder 2000 Jahren. Frieden und Versöhnung, der Einsatz für Menschenrechte, Demokratie oder Umweltschutz sind immerwährende Aufgaben. Wir können einiges dazu beitragen, doch man wird nie damit fertig sein, der Prozess ist nie zu Ende. Diese Einsicht ist einerseits bedauerlich, schützt aber vor Desillusionierung und Depression. 

2. Engagement: Nicht trotzdem, sondern gerade deswegen

Wir engagieren uns nicht trotz der Kriege, trotz der Umweltzerstörung, trotz der Rechtspopulisten und -extremisten, sondern gerade deswegen. Weil es Kriege gibt, ist es notwendig, sich für Frieden und gewaltlose Konfliktbearbeitung einzusetzen. Gäbe es keine Kriege, bräuchte es keine Pazifist*innen. Gäbe es keine Umweltzerstörung, müsste man sich nicht für Umweltschutz einsetzen.
Diese Welt ist nicht perfekt und wird es nie sein. Wo Menschen zusammenleben, gibt es Konflikte und wird es immer geben. Und jede Zeit bringt neue, andere Herausforderungen mit sich.

Sich diesen Herausforderungen zu stellen und der Gleichgültigkeit, Lüge oder Menschenverachtung nicht das Feld zu überlassen, auch angesichts herber Rückschläge: Das erfordert Mut, Tatkraft, Beharrlichkeit und Kreativität. Es ist ein schwieriger Weg, kann aber ein sehr sinnstiftender, erfüllender Weg sein.

3. Die Richtigkeit des Tuns ist entscheidend, nicht der Erfolg

Bei unserem Engagement geht es nicht vorrangig um Erfolge, sondern zuerst und vor allem um die Richtigkeit des Tuns an sich. Wenn ich meine Kinder nicht schlage, wird das die Gewalt in der Welt nicht messbar verringern – es ist dennoch richtig. Wenn ich andere Menschen menschlich behandle, wird dies die Menschenverächter wenig beeindrucken – es ist dennoch richtig. Wenn ich Müll oder Schadstoffausstoße vermeide, wird dies allein die Klimaüberhitzung nicht aufhalten – es ist dennoch richtig. Und wenn es niemanden interessieren und alles noch schlimmer würde, wäre es dennoch richtig.
Warum sollte ich es also nicht tun, sollten wir uns nicht engagieren?

„Erfolg“ – wie immer und von wem definiert – ist nicht maßgeblich und jedenfalls „keiner der Namen Gottes“ (Martin Buber). Hans und Sophie Scholl und ihre Mitstreiter von der „Weißen Rose“ haben weder den Krieg noch Auschwitz verhindert; doch nicht ihr Erfolg, sondern ihr Tun machte den Unterschied.

4. Radikale Zuversicht statt Resignation

Wir dürfen uns nicht anstecken lassen von Frustration, Resignation, Angst, nicht verunsichern lassen von den Sinnlosigkeitspredigern und Angstmachern. Sonst hätten sie zweimal gewonnen: erst Schrecken verbreiten und überdies den Widerstand ersticken, damit sie freie Bahn hätten. Jetzt erst recht: Das wollen und dürfen wir nicht zulassen! Wir lassen uns nicht einschüchtern und erschrecken. Zur unerschrockenen Tat brauchen wir Mut und Zuversicht, sogar „radikale Zuversicht“ (Gustav Bergmann). Zuversicht ist kein naiver „Alles wird gut“-Optimismus, kein verharmlosendes „Wird schon nicht so schlimm werden“.

Zuversicht ist die Überzeugung, dass unser Handeln einen Unterschied macht, für mich und andere, die Gesellschaft, die Welt. Und Zuversicht ist keine Gemütsverfassung, sondern eine Haltung. Zur Zuversicht kann man sich entscheiden. 

5. Mut macht Mut, Kraft gibt kraft

Der Einsatz für Frieden, Menschenrechte oder Klimaschutz ist keine permanente Erfolgsgeschichte. Rückschläge sind unvermeidlich, gelegentliche Zweifel an der Menschheit oder am Sinn des eigenen Tuns normal. Doch wenn wir schwächeln, dann schauen wir uns um: Wir sind nicht allein! Wir sind viele! Die Welt ist voller Menschen und Initiativen, die sich unermüdlich für das Gute einsetzen und Erstaunliches bewegen, im Kleinen wie im Großen. Ihr Mut macht Mut, ihre Kraft gibt Kraft.

Die Welt war nie perfekt, und sie war früher ganz bestimmt nicht besser als heute. Sehr vieles ist heute sehr viel besser, hierzulande und weltweit. Doch diese Fortschritte waren keine Selbstläufer, sie sind nicht „einfach so“ geschehen. Sie wurden möglich, weil sich viele Menschen an vielen Orten nicht abfinden wollten mit Ungerechtigkeit, Benachteiligung, Umweltzerstörung – und konkret aktiv wurden: Mutig gegen die Angstmacher, beharrlich gegen die Fatalisten, kreativ gegen alle Widerstände, gemeinsam gegen die Resignation, mit radikaler Zuversicht.

 

von Dr. Markus Weingardt